Ein Beitrag zum Findungsprozess des Unternehmenspurpose
Wozu stehen wir jeden Morgen auf? Müssen wir uns in der Arbeit selbst verwirklichen? Ist es okay, wenn wir nur Geld verdienen wollen? Können wir täglich etwas tun, was nicht mit unseren Werten übereinstimmt oder prägen die Werte unserer Arbeit unser persönliches Handeln? Die Frage, warum wir arbeiten, wird nie an Aktualität verlieren. Und deshalb bleibt es interessant, ob das Unternehmen, für das wir Lebenszeit investieren, in sich einen Zweck verfolgt, mit dem wir uns identifizieren können.
Purpose. Viele Branchen kennen das Wort und suchen in zeitintensiven Workshops nach einem übergeordneten und immanenten Zweck und damit einen höheren Auftrag für das eigene Schaffen. Wir haben uns im Namen bereits eine Zielsetzung gegeben und das Gefühl, dass das Team diese versteht und lebt. Es herrscht Einigkeit darüber, dass es kein Problem darstellen sollte, einen Purpose zu formulieren. Aber ist das wirklich so? Reicht das gemeinsame Bauchgefühl? Tickt das Team wirklich so synchron im Wertesystem?
Dem gesamten Team stößt der bekannte Beigeschmack des Wortes auf: abgenutzt ist es und oft schwingt mit, einen externen Anspruch bedienen zu müssen. Ist es dann die Investition von Zeit und Kapazitäten wert? Springen wir nur auf einen Zug auf, dessen Ziel gar nicht unseres ist, oder in dem wir längst schon fahren? Die Sinnhaftigkeit und der Wunsch, einen Purpose zu formulieren, stehen zur Diskussion. Die beste Ausgangslage, diese Spannungen zu überprüfen: in einem Purpose-Turnier.
Nach einer allgemeinen Einleitung zu Thema und Ablauf beginnen wir: Individuelle Formulierungen auf Purpose-Template-Karten werden gegenübergestellt, um im Folgenden jeweils eine zu wählen, die stark genug ist, um sie feiner zu schleifen und größer zu denken. – so lange, bis ein Satz gefunden ist, den alle fühlen können und leben möchten. Und die Tatsache, dass im Finale zwei nahezu identische Sätze an der Wand hängen, zeigt, dass Spannungen im Findungsprozess nicht an der unterschiedlichen Haltung liegen. Wie formuliere ich ein Gefühl? Wie groß, vielleicht sogar utopisch, darf ich denken? Welches Maß an Heroismus motiviert den Zweck meiner Arbeit? Ist das nicht alles zu weit vom Arbeitsalltag entfernt? An welchen Touchpoints lenkt meine Absicht überhaupt das Wirken und Handeln? Es stehen sich Utopie und Realismus gegenüber. “Good design for good people” – das machen wir. Und darüber sind sich alle einig. Doch die Frage bleibt: wozu?
Purpose ist eben nicht die Beschreibung der Leistungen. Es ist auch nicht die Motivation, die uns morgens aus dem Bett lockt. Es ist wie ein Netz, das sich durch Handlungen und Entscheidungen zieht, das Team verbindet und ihm und neuen Mitarbeitenden ein Kompass sein kann. Passt der Auftrag? Passt der Kunde? Möchten wir hier noch mehr Zeit investieren? Sollten wir dort nicht noch mal die Strategie überdenken? Der Purpose wirkt als unternehmerisches Bauchgefühl.
Deutlich wird in diesem Prozess, dass unterschiedliches Wording nicht heißen muss, dass nicht der gleiche Inhalt gemeint ist. Und am Ende beschreiben es die anfänglichen Skeptiker auch als genau so: verschiedene Formen und Perspektiven werden zu einem gemeinsamen Verständnis verwoben. Besonders motivierend ist dabei der Einblick in die Haltungen des Teams, die Schwerpunkte, die gesetzt werden und die Wünsche, die mit der eigenen Arbeit einhergehen. Dies hat mehr Transparenz schaffen können. Niemand bleibt allein in einer Utopie und manche dürfen noch höher und weiter springen, als sie sich zugestehen. Ein sehr bereicherndes Gefühl verschafft die Bestätigung des anfänglichen Bauchgefühls, dass auch nach dem Blick unter die Motorhaube und intensiver Aufschlüsselung unser tägliches Tun bereits ein ähnliches und einheitliches Ziel hatte.
Vielleicht ist der Purpose eine Adaption des Rufes, der allem auch zum Trotze wirkt. Also dann: Wir begeistern, beteiligen und befähigen Menschen, bessere Gesellschaften zu gestalten.
Wer sind wir auf der Arbeit? Was müssen wir leisten? Sind wir zumutbar? Tun wir, was wir können, oder was wir sollen? Was macht es mit uns, wenn wir frei entscheiden können, worin unsere Expertise liegt? Was passiert, wenn es alle anders sehen?
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