Ein Beitrag zu unserem Weiterbildungskonzept
Man tut, was man kann. Dabei kann man vielleicht mehr und sicher noch nicht alles. Berufliche Weiterentwicklung und Weiterbildung ist ein wichtiges und komplexes Thema, wofür kleinen Teams oft keine Zeit bleibt, weil jede und jeder eingespannt ist. Lohnt es sich, diese Auszeit vom Arbeitsalltag zu nehmen und woran merkt oder misst man dann, dass die unternehmerische Investition in die Mitarbeitenden sinnvoll oder zweckmäßig war? Und wenn der angebotene Workshop nicht hält, was er verspricht oder der Inhalt doch nicht relevant für den Arbeitsalltag ist, kollidieren Investition und Impact.
Zuallererst ist also wichtig, zu erfahren, was gebraucht wird. Und schon befinden wir uns in einem Spannungsfeld zwischen unternehmerischer und persönlicher Perspektive. Es ist einen Diskurs wert, auszuloten, was genau die Entwicklung vorantreibt und mit welchen Inhalten beruflicher und persönlicher Mehrwert geschaffen werden kann.
Unser Credo für die Ausarbeitung eines fairen und effektiven Weiterbildungskonzeptes lautet: Egal, was es ist – das Beste für dich ist das Beste für uns. Das verlangt bei aller Bereitschaft schon einiges ab und erster unternehmerischer Zweifel kann aufkommen. Wie geht man damit um, wenn jemand in einer Designagentur einen Töpfer-Kurs besuchen möchte? Wir lassen uns überraschen. Denn: It is safe enough to try.
Das Konzept fußt auf Eigenverantwortung und knüpft an die im Rollen-Modell geschaffenen Selbstorganisation an. In einer umfassenden Policy werden Spielregeln und Rahmenbedingungen festgehalten und ein klarer Ablauf formuliert. Das ist der Schlüssel zur autonomen Organisation der Weiterbildung.
Konkret bedeutet das: Jedes Teammitglied bekommt unabhängig von Gehalt und Arbeitszeit ein Jahresbudget und Bildungsurlaub und ist frei, dies für persönlich ausgesuchte Zwecke zu nutzen – oder es zu lassen. Mit einem expliziten Angebot wenden sich die Mitarbeitenden an die Weiterbildungsmanagerin. Sie wiederum ist nicht eingesetzt, um über Sinnhaftigkeit zu entscheiden oder das Angebot infrage zu stellen. Sie behält lediglich den Überblick, unterstützt bei der Buchung und verantwortet die Abwicklung. Auch verantwortet sie individuelle Vertragsvereinbarungen. Ein Vertrag wird dann geschlossen, wenn eine gewünschte Weiterbildung das Jahresbudget oder das Zeitkontingent übersteigt. Durch zeitlichen und finanziellen Kredit des Unternehmens werden diese Weiterbildungen möglich gemacht. Bindungsdauer der Mitarbeitenden oder Rückzahlungskonditionen bei vorzeitigem Ausscheiden werden vereinbart und festgehalten.
Der Gedanke, der hier zugrunde liegt, ist der gleiche, der unser gesamtes Arbeiten begleitet. Mit einem Vertrauensvorschuss, dem echten Glauben in Selbstverantwortung und transparente Gesprächskultur, in der Zweifel und Wünsche geäußert werden können, wird das unternehmerische Interesse in der persönlichen Auswahl mitgedacht. Wir glauben an den Mehrwert, den das Lernen aus intrinsischer Motivation bereithält und vermeiden daher die passive Haltung, in der Mitarbeitende warten, bis sie zu einem Seminar geschickt werden.
Besonders bereichernd ist die Shared-Experience. In Team-Meetings und zwischendurch erleben wir einen Austausch über das Erleben und neu gelerntes Wissen. Da das Lernen aus eigenem Antrieb und aus echtem Interesse geschieht, scheint das Gelernte anders verinnerlicht und wird als individuelle Erfahrung oder auch im Kontext der Anwendung am Arbeitsplatz geteilt. Positiver Nebeneffekt: Gelerntes vertieft und festigt sich noch einmal durch Teilen und Erklären.
Absolut lohnenswert ist es, sich Zeit zu nehmen, die Rahmenbedingungen für das Weiterbildungskonzept zu formulieren und zu erklären. So gelten sie als gemeinschaftlicher Beschluss und nachfolgende operative Arbeit wird reduziert. Auch die Höhe des bereitgestellten Jahresbudgets kann und sollte regelmäßig überprüft werden. Es ist wichtig, dass es ausreichend ist, um qualitative Angebote wahrzunehmen, aber nicht zu viel, dass totes Kapital entsteht, falls es nicht oder nicht vollständig genutzt wird.
Wie gehen wir nun mit Kursen um, die im Unternehmenskontext erst mal fragwürdig erscheinen? Und wie mit dem unterschwelligen Druck, eine Weiterbildung machen zu müssen? Wir testen den beschriebenen Weiterbildungsansatz seit einem Jahr, ohne dass vollständig fachfremden Kurse gewünscht wurden. Einigkeit herrscht vor allem dabei, dass ein gemeinsames Commitment und Austausch hilft, etwaige negative Gefühle aufzulösen: Niemand muss eine Weiterbildung machen und jeder darf sein Thema frei wählen. Wir erleben vorrangig echte Kompetenzerweiterung und dass Wissenstransfer im Arbeiten einfacher und selbstverständlicher wird. Und wir spüren gesteigertes Wohlbefinden, mit dem die stetige Entwicklung – auch für rollenspezifische Tätigkeiten – einfacher und Angst befreiter gelingt. Das Vertrauen und die Freiheit zur persönlichen Entwicklung, aber auch das gestärkte Selbstbewusstsein, für sich und die eigenen Bedürfnisse einzustehen, verändert die Motivation und den Einsatz spürbar.
Manchmal sind Töpfern und Teambuilding gar nicht so weit voneinander entfernt. Allemal stärkt die Konfrontation mit nasser Erde und der Drehscheibe jeden Charakter. Auch Geduld, Neugier und andere Soft-Skills sind wertvoll zu erlernen oder zu entwickeln. Es ist eine Win-Win Situation, wenn sowohl gesteigerte Kompetenz als auch persönliche Entwicklung der individuellen und dem unternehmerischen Zweck dienlich wird. Und vielleicht ist bereits der Ansatz selbst ein Teil der gemeinsamen Weiterbildung.
Wer sind wir auf der Arbeit? Was müssen wir leisten? Sind wir zumutbar? Tun wir, was wir können, oder was wir sollen? Was macht es mit uns, wenn wir frei entscheiden können, worin unsere Expertise liegt? Was passiert, wenn es alle anders sehen?
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